"Versatzstück" von Timm Ulrichs

© Wolf-Dietrich von Schlieffen

Timm Ulrichs stellt in seinem künstlerischen Werk stets die Frage, was Kunst eigentlich ist und bedeutet. Mit Widerspruchsgeist und hintergründigem Witz beschäftigt er sich mit den vermeintlichen Gewissheiten unseres Alltags.
Seine Installation „Versatzstück“ besteht aus einem 2,50 m hohen, schlichten Pflanztopf und einer Pappel. Timm Ulrichs spielt hier mit unserer Wahrnehmung. Etwas Alltägliches wird in einen neuen Zusammenhang gesetzt und irritiert in diesem Kontext. Das „Versatzstück“ steht im Widerspruch zum Wesen des Baums, der mit Verwurzelung, Wachstum, Natur und Alter assoziiert wird. Die Pappel im Blumentopf erscheint wie ein in der Landschaft versetzbares Möbel. Während der lebendige Baum die freie Natur repräsentiert, steht der Pflanztopf für die Kultur. Der Baum wird mit Timm Ulrichs Blumentopf bildlich zur Topfpflanze, wie man sie aus Wohnzimmern und von Balkonen kennt. Wortspiele, Metaphern, etwas wörtlich nehmen sind Inspiration für Timm Ulrichs. Der Begriff „Versatzstück“ stammt aus dem Bereich des Theaters: Das Versatzstück ist ein beweglicher und daher beliebig zu versetzender Bestandteil eines Bühnenbildes. Und tatsächlich wird das „Versatzstück“ von Timm Ulrichs scheinbar wie der Teil eines Bühnenbildes eingesetzt. Der Baum im Blumentopf kann versetzt werden, wenn ein solcher an einem Ort benötigt wird oder auch wieder verrückt werden, wenn er stört. Als „Versatzstück“ wird der Baum zum Ausstattungsgegenstand in der Landschaft und wird in seiner Mobilität pflegeleicht. Der Mensch verfügt bildlich gesehen über die Natur, die er in Töpfen kultiviert. Doch alles ist Attrappe und Täuschung, denn der Topf ist innen hohl und der Baum wird, in der Erde fest verwurzelt, in seinem Wachstum nicht beeinträchtigt.

 

Bildergalerie

    Timm Ulrichs wurde 1940 in Berlin geboren. Von 1959 bis 1966 studierte er Architektur an der Technischen Hochschule Hannover. Seit 1959 ist Ulrichs als selbsternannter „Totalkünstler“ aktiv. Sein Werk ist multimedial und performativ und umfasst konzeptuelle Arbeiten, Environments, Fotografien, Performances, Aktionen, Konkrete Poesie, Kunst am Bau, Texte und Skulpturen. In Hannover gründete er im gleichen Jahr die „Werbezentrale für Totalkunst, Banalismus und Extemporismus“, die zur Verbreitung, Entwicklung und Produktion von Totalkunst dienen sollte. 1961 erklärte Timm Ulrichs sich zum „ersten lebenden Kunstwerk“ und präsentierte sich in einer Ausstellung. 1977 war Timm Ulrichs Teilnehmer an der documenta 6 in Kassel. Er lehrte 1969 bis 1970 als Gastprofessor an der Hochschule für Bildende Künste Braunschweig und von 1972 bis 2005 als Professor für Bildhauerei und Totalkunst an der Kunstakademie Münster. Timm Ulrichs wurde ausgezeichnet mit verschiedenen Preisen, wie mit dem Will-Grohmann-Preis und dem Käthe-Kollwitz-Preis der Akademie der Künste Berlin und dem Niedersächsischen Staatspreis. Timm Ulrichs lebt und arbeitet in Hannover, Berlin und Münster.