"Frühstückspause" von Christel Lechner und Laura Lechner

Im Sommer 2021 waren die lebensgroßen „Alltagsmenschen“ der Künstlerinnen Christel (* 1947 in Iserlohn) und Laura Lechner (* 1973 in Bochum) in Eschborn zu sehen. An vier Standorten waren über 50 Skulpturen aus Beton an prägnanten Plätzen in das Stadtbild integriert.
 

Der Mensch in seinem Alltag ist der Ausgangspunkt der Figuren von Christel und Laura Lechner. Sie sind künstlerische Inszenierung des Alltäglichen. Ihre Skulpturengruppen und Einzelfiguren beleben Orte wie Straßen, Plätze, Fußgängerzonen oder Parkanlagen, wo sie täglich Menschen begegnen. Dort sind die „Alltagsmenschen“ frei zugänglich und dadurch nahbar. Ihre Positionierung im öffentlichen Raum betont den Anspruch von Normalität und Alltäglichkeit, ohne banal zu werden. Den Vorbildern für ihre „Alltagsmenschen“ kann man nach dem Verständnis der beiden Künstlerinnen täglich und überall begegnen. Damit holen die beiden Künstlerinnen die Betrachterinnen und Betrachter in ihrem Alltag ab. Das gelebte Leben ist das zentrale Thema in den Arbeiten von Christel und Laura Lechner. In ihren Figuren zeigen sich Geschichten und Charaktere wie auch gesammelte Erfahrungen.


Die „Alltagsmenschen“ folgen keinen wechselnden Modetrends, geschweige denn bestimmten Schönheitsidealen. Sie befinden sich alle in ihrer zweiten Lebenshälfte. Oft von eher gedrungener Gestalt haben einige der „Alltagsmenschen“ im Laufe der Jahre etwas an Gewicht zugenommen. Doch niemand scheint damit zu hadern, sondern alle strahlen Gelassenheit und Ruhe aus. Aus der Ferne betrachtet, erscheinen die Figuren durch präzise beobachtete Körperhaltungen, Proportionen, Bewegungen und durch ihre Farbigkeit täuschend echt.


Auf einer kleinen Anhöhe gegenüber dem Verkehrskreisel, wo die Sossenheimer Straße, Hauptstraße und Götzenstraße zusammentreffen, haben sich ein Mann und eine Frau für eine „Frühstückspause“, so der Titel der Arbeit, auf eine Bank gesetzt. Die detaillierte Abstimmung bei der Farbigkeit ihrer Kleidung und ihres gesamten Erscheinungsbildes unterstreicht die harmonische Wirkung des Paares. Dem Frühstück in der Bäckertüte, das zwischen ihnen auf der Bank liegt, schenken beide keine Aufmerksamkeit, denn das Geschehen am Kreisel fesselt ihr Interesse. Von dem erhöhten Standort schauen sie auf die Skulptur, die sich im Mittelpunkt des Verkehrskreisels befindet und in Richtung der Wohnanlage.


Freundlich-interessiert betrachtet das Paar eine Gruppe von Menschen, die in ihrem Tun Lebensfreude und die Freude am Moment vermitteln. Unter freiem Himmel tanzen vier Frauen und zwei Männer in unterschiedlichen Stilen zu einer für die Betrachterinnen und Betrachter nicht hörbaren Melodie. „Tanze mit mir in den Morgen“ haben Christel und Laura Lechner die Figurengruppe nach einem bekannten Schlager aus dem Jahr 1961 betitelt. Besonders der Mann mit Hut scheint sich verträumt ganz dem Rhythmus der Musik hinzugeben. Die „Alltagsmenschen“ sind in der Darstellung des gelebten, ungeschönten Lebens die menschlichste Form der Schönheit, so Christel Lechner.

© Kultur Eschborn

    Biografien

    Christel Lechner wurde 1947 in Iserlohn geboren. Nach einer Ausbildung zur Keramikerin an der Keramikschule in Landshut, studierte sie an der Werkkunstschule Münster und erlangte 1982 den Meistertitel als Keramikerin. Es folgte von 1984 bis 1986 ein Lehrauftrag für Keramik am Musischen Zentrum der Ruhr-Universität Bochum. Seit 1986 arbeitet Christel Lechner im Bereich der Kunstkeramik und zwei Jahre später begann sie sich intensiv mit dem Material Beton zu beschäftigen. Seit 1996 arbeitet sie fast ausschließlich an den „Alltagsmenschen“, die in Ausstellungen im öffentlichen Raum gezeigt werden. 2017 übergab Christel Lechner die Leitung des in den 1970er-Jahren gegründeten Ateliers auf dem Lechnerhof in Witten an ihre Tochter. Laura Lechner wurde 1973 in Bochum geboren. Ab 1995 studierte sie Produktdesign und absolvierte eine Ausbildung zur Baukeramikerin. Parallel zu ihrer Arbeit als Bildhauerin begann sie im Jahr 2002 mit der Malerei. Das Kunststudium absolvierte Laura Lechner an der Hochschule der Bildenden Künste Saarbrücken und an der Kunstakademie Düsseldorf, wo sie bei Peter Doig Malerei studierte. Dort erhielt sie 2010 ihren Meisterbrief und wurde zur Meisterschülerin ernannt. Seit 2004 unterstützt sie Christel Lechner bei der Arbeit an den „Alltagsmenschen“. Während sie die einzelnen Skulpturen und Skulpturengruppen malerisch konzipiert, erarbeitet Christel Lechner die Vorstudien und modelliert die ersten Entwürfe in Ton. Im Anschluss begleiten Laura und Christel Lechner das kleine Mitarbeiterteam durch den mehrstufigen Herstellungsprozess der „Alltagsmenschen“.