Heizen mit Daten: Eschborn plant Fernwärmenetz mit Abwärme von Rechenzentren

Seit langer Zeit herrschen in Eschborn teure Erdgasheizungen bei der Wärmeversorgung vor – auch in städtischen Einrichtungen. Damit könnte es bald vorbei sein, wenn es nach dem Willen des Magistrates und der für Klimaschutz und Energie zuständigen Ersten Stadträtin Bärbel Grade geht.

Was die großen städtischen Wärmeverbraucher wie Wiesenbad, Rathaus und Stadthalle angeht, sind die Würfel pro Abwärme aus Rechenzentren schon gefallen.
 

Bereits im Jahr 2021 initiierte die Stadt Eschborn in Zusammenarbeit mit der Stadt Frankfurt bei der Landesenergieagentur eine Machbarkeitsstudie zur Nutzung der Abwärme von Rechenzentren in Frankfurt-Sossenheim für Bürogebäude im Gewerbegebiet Eschborn Süd. Der Zwischenbericht der Studie und ein weiteres Projekt der Stadt Eschborn zur Versorgung des Wiesenbades und des neuen Rathaus-Stadthallenkomplexes mit Abwärme aus Rechenzentren zeigen erste positive Ergebnisse.


Folgerichtig brachte der Magistrat in seiner Sitzung vom 10.01.2023 die Erstellung einer kommunalen Wärmeleitplanung unter Berücksichtigung der Abwärme von Rechenzentren auf den Weg.


Die kommunale Wärmeleitplanung stellt die Grundlage für ein künftiges Fernwärmenetz dar. Ermittelt und grafisch dargestellt werden einerseits die Potentiale von Abwärmequellen und erneuerbaren Energien und andererseits die Wärmebedarfe möglicher Wärmeabnehmer. So entsteht eine Netzkarte als Hilfe bei der Entscheidung, wo es wirtschaftlich und energetisch sinnvoll ist, mit dem Netzausbau zu beginnen. Ausschreibungen für Bau und Betrieb des Fernwärmenetzes durch einen externen Dienstleister, in der Regel ein Energieversorger, sollen sich nach Fertigstellung der Planung anschließen.
 

Erleichtert und beschleunigt wird die Wärmeleitplanung durch Vorarbeiten, die von der Stabsstelle Energie-Klimaschutz ausgingen. Zu nennen sind

a) die für Februar 2023 avisierte Vorlage der Machbarkeitsstudie zur Abwärmenutzung von Rechenzentren in Eschborn-Süd und Frankfurt-Sossenheim und

b) die Kooperation zwischen der Stadt Eschborn und einem Rechenzentrum zur Nutzung von Abwärme für das Wiesenbad und vier Gebäude der Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ).
 

Die Kooperation soll mit einer gemeinsamen Absichtserklärung (Letter of Intent) der drei Partnerinnen und Partner Stadt Eschborn, GIZ und Rechenzentrum schriftlich fixiert werden, wie der Magistrat beschlossen hat.
 

„Es freut mich und Bürgermeister Adnan Shaikh sehr, dass in der Sache politisch große Einigkeit herrscht. Es ist eine Chance und ein Sprung nach vorne für den Klimaschutz, große Energieverbraucher wie das Wiesenbad mit klimaneutraler Abwärme zu versorgen, die sonst nutzlos verpufft. Damit wird eine wichtige Maßnahme des Klimaschutzkonzeptes umgesetzt und Anregungen, z.B. der Freien Wähler, aus den Gremien Rechnung getragen. Durch die Substitution des fossilen Brennstoffes Erdgas ersparen wir der Atmosphäre künftig rund 800.000 kg Kohlenstoffdioxid jährlich. Die Nahwärmeversorgung des Wiesenbades soll planmäßig zur Eröffnung 2025 erreicht sein. Ziel ist aber ein Fernwärmenetz für ganz Eschborn, das zuverlässig und langfristig mit klimaneutraler Abwärme und mit erneuerbaren Energien gespeist wird. Da wir die zunehmende Digitalisierung kaum beeinflussen können, sehen wir in der Nutzung der Abwärme eine herausragende Chance – noch dazu, wenn im deutschen Stromnetz bald 100% statt durchschnittlich 50% Strom aus erneuerbaren Energien stammen", erläutert Erste Stadträtin Bärbel Grade.
 


Hintergrund:
Die zunehmende Digitalisierung aller Lebensbereiche – mit all ihren Vor- und Nachteilen – führt zu einem unvermeidlichen Boom beim Bau von Rechenzentren. Haben die gewaltigen Strommengen in den Prozessoren ihre Arbeit getan, werden nahezu 100% des Stroms in Wärme umgewandelt. Daraus erwächst ein enormes Energie-Potential, das es nutzbar zu machen gilt. Größere Rechenzentren haben nicht selten Anschlussleistungen über 1 Megawatt, wie das neue von "Cyrus One" mit 12 MW in der Nähe der S-Bahn-Station Eschborn-Süd. Im Prinzip handelt es sich also um große Heizzentralen, die noch dazu gegen Betriebsstörungen besser abgesichert sind als jedes öffentliche Kraftwerk. Wichtiger Bestandteil eines solchen Wärmenetzes sind Heizzentralen mit Großwärmepumpen, die ausgehend von 30-40 Grad warmer Abwärme bis zu 60 Grad heißes Wasser in das Netz einspeisen – das bedeutet: Unter Einsatz von einer Kilowattstunde (Öko-) Strom würden die Groß-Wärmepumpen 4-6 Kilowattstunden Wärme erzeugen.